Mit richtiger Rehabilitation lernen gelähmte Ratten wieder greifen

Nach einem grossen Schlaganfall verbessern sich die motorischen Fähigkeiten auch mit Rehabilitation kaum. Ein Experiment mit Ratten zeigt, dass eine kombinierte Therapie aus medikamentöser Stimulierung des Nervenfaserwachstums und motorischem Training erfolgreich sein kann. Allerdings kommt es auf den richtigen Ablauf an: Gelähmte Tiere erholen sich nur dann beinahe vollständig, wenn das Training erst nach der Medikamentengabe einsetzt.

Symbolbild
Eine verengte Halsschlagader – wie hier oben rechts sichtbar – kann zu einem Hirnschlag führen. (Bild: Zephyr / Science Photo Library)

Nur wenn Timing, Dosierung und Art der Rehabilitation stimmen, k?nnen sich motorische Funktionen nach einem Hirnschlag optimal erholen. Ratten, die durch einen Schlaganfall einseitig gel?hmt waren, konnten ihre motorischen F?higkeiten beinahe vollst?ndig wiedererlangen, wenn sie die ideale Kombination von rehabilitativem Training und Substanzen, die das Wachstum von Nervenfasern f?rdern, erhielten. Anatomische Untersuchungen best?tigen die Wichtigkeit des richtigen Rehabilitations-Fahrplans: Je nach Aufbau der Therapie zeigen sich verschiedene Muster von neuen Nervenfasern, die aus dem gesunden Teil des Gehirns in das zervikale Rückenmark hineinspriessen und dadurch in unterschiedlichem Mass zur Funktionserholung beitragen. Die Studie des interdisziplin?ren Teams unter Leitung von Prof. Martin Schwab vom Institut für Hirnforschung der UZH und vom Zentrum für Neurowissenschaften der UZH und ETH Zürich ist ein weiterer Meilenstein in der Forschung zur Regeneration von Gehirn- und Rückenmarksverletzungen.

?Dieser neue Ansatz in der Rehabilitation führt zumindest bei der Ratte zu einer erstaunlichen Erholung der motorischen F?higkeiten, was in der Zukunft für die Behandlung von Schlaganfall-Patienten wichtig werden kann?, sagt Erstautorin Anna-Sophia Wahl. Bislang müssen betroffene Menschen mit oftmals schweren St?rungen von Motorik, Sprache und Sehf?higkeit zurecht kommen, und ihre Lebensqualit?t ist h?ufig stark beeintr?chtigt.

Erst Nerven wachsen lassen, dann trainieren

Die Therapie von Ratten nach einem Schlaganfall beinhaltet einerseits eine spezifische Immuntherapie, in der mit Antik?rpern die sogenannten Nogo-Eiweisse blockiert werden. Diese Eiweisse im Gewebe rund um die Nervenfasern hemmen das Wachstum von Nervenfasern; werden sie blockiert, beginnen Nervenfasern in verletzten Bereichen von Gehirn und Rückenmark wieder zu spriessen und Nervenimpulse weiterzuleiten. Andererseits wurden die an den Vorderbeinen gel?hmten Tiere einem physischen Training – n?mlich dem Greifen von Futterpellets – unterzogen. Alle Ratten erhielten erst eine Antik?rpertherapie für die F?rderung des Nervenfaserwachstums und – entweder gleichzeitig oder erst anschliessend – ein motorisches Training.

Die Resultate sind überraschend: Die Tiere mit sp?terem Trainingsbeginn erlangten bemerkenswerte 85 Prozent ihrer ursprünglichen motorischen F?higkeiten wieder. Ganz anders die Ratten, die früh nach dem Schlaganfall und gleichzeitig mit den wachstumsf?rdernden Antik?rpern trainiert wurden: Ihre k?rperliche Performance im Greiftest blieb mit 15 Prozent sehr gering. Das Training darf aber auch nicht zu sp?t (mehr als vier Wochen nach Schlaganfall) einsetzen, weil sonst die Regenerationsrate ebenfalls tiefer ausf?llt als beim idealen Zeitpunkt.

Sorgf?ltiges Design verspricht Erfolg

Die Forschenden sehen den zeitlichen Verlauf als mitentscheidend für den Erfolg der Rehabilitation an: Eine frühe Applikation von Wachstumsstimulatoren – wie Antik?rper gegen das Eiweiss Nogo-A führt zu verst?rktem Aussprossen der Nervenfasern. Das nachfolgende Training ist essentiell, um die für die Erholung der motorischen Funktionen wichtigen neuronalen Schaltkreise auszusortieren und zu stabilisieren. So hat eine automatische computergestützte Analyse der anatomischen Daten aus der Bildgebung gezeigt, dass neue Fasern im Gehirn je nach Therapieablauf in einem anderen Muster spriessen. Durch reversibles Ausschalten der neu auswachsenden Nervenfasern konnten die Neurobiologen schliesslich erstmalig nachweisen, dass eine Gruppe dieser Fasern für die beobachtete Erholung der Motorik unentbehrlich ist: Nervenfasern, die von der intakten Vorderhirn-H?lfte – die Seite wechselnd – in das Rückenmark hineinwuchsen, k?nnen die Rückenmark-Schaltkreise der gel?hmten Gliedmassen der Ratten wieder ans Gehirn anschliessen, sodass die Tiere in der Folge wieder in der Lage sind, zuzugreifen.

?Unsere Studie zeigt, wie wichtig ein sorgf?ltiges Design der Therapie für eine m?glichst erfolgreiche Rehabilitation ist?, fasst Studienleiter Martin Schwab zusammen. ?Das Gehirn hat ein riesiges Potenzial zur Reorganisation und Wiederherstellung seiner Funktionen. Mit den richtigen Massnahmen zum richtigen Zeitpunkt kann dieses gezielt gesteigert werden.?

Dieser Text basiert auf einer Medienmitteilung der Universit?t Zürich.

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Literaturhinweis

Wahl AS et al.: Asynchronous therapy restores motor control by rewiring of the rat corticospinal tract after stroke. Science, Online-Publikation vom 13. Juni 2014, doi: externe Seite10.1126/science.1253050

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